Bundesregierung hält an diskriminierenden Kriterien fest: kaum noch Teilhabeberatung für gehörlose Menschen ab 2023

Anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Fortbestand von Beratungsstellen erklärt der Berichterstatter für die Belange von Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, Hubert Hüppe:

Im kommenden Jahr wird für gehörlose Menschen nur noch die Hälfte der sogenannten Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB) zur Verfügung stehen. Beraterinnen und Berater mit Gebärdensprachkompetenz werden, trotz Mittelaufstockung, durch bestimmte Förderkriterien systematisch benachteiligt.

Aktuell gibt es in Deutschland 463 EUTB-Standorte. Ab 2023 wird diese Zahl auf 499 ansteigen. Das Problem: Von dem ohnehin schon geringen Angebot an Beratern mit Gebärdensprachkompetenz hat nur die Hälfte einen positiven Förderbescheid für die Weiterführung ihrer Beratungstätigkeit ab 2023 erhalten.

Die Bundesregierung rechtfertigt dieses Vorgehen mit dem Verweis, dass viele der Beratungsstellen, in denen sich gehörlose Menschen in Gebärdensprache zu Teilhabeleistungen beraten lassen konnten, zu spezialisiert auf eine Zielgruppe wären. Damit würden sie gegen das Förderprinzip „eine für alle“ verstoßen. Ferner wird seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales darauf verwiesen, dass kein Bestandschutz für bereits bestehende Beratungsangebote gewährt werden könne. Dies würde zu einer Privilegierung bestehender Angebote und demnach zu einer Ungleichbehandlung führen.

Im Fall der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung ist eine Ungleichbehandlung jedoch angezeigt, wenn man eine mittelbare Diskriminierung vermeiden will. Gehörlose können eben nicht wie Hörende ohne weiteres mit ihrer Umwelt kommunizieren, was beispielsweise den Besuch von Behörden oder Beratungsstellen erschwert. Deshalb fordert auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und die Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) neben dem Prinzip „eine für alle“ auch Spezialisierungen zuzulassen, beispielsweise zu den Bereichen Taubblindheit oder Autismus-Spektrum.

Die Bundesregierung müsste über jeden EUTB-Berater mit Gebärdenkompetenz dankbar sein, denn diese Personen tragen wesentlich zur Inklusion in Deutschland bei, indem sie andere Gehörlose zu Teilhabemöglichkeiten und -leistungen beraten.

Foto: René Golz.

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