Menschen mit Behinderungen: die vergessenen Opfer des NS-Regimes

Anlässlich des nationalen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar erinnert der ehemalige Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe MdB, an die „Aktion T4″, die in der Berliner Tiergartenstraße 4 ihren Anfang nahm, wo das nationalsozialistische Vernichtungsprogramm an behinderten und kranken Menschen geplant und organisiert wurde:

Behinderte und kranke Menschen waren die ersten Opfer des organisierten Massenmordes der Nationalsozialisten. Zum angeblichen Wohl der Volksgemeinschaft wurden bis zu 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen systematisch ermordet, weitere 400.000 zwangssterilisiert. Kern des NS-Euthanasie war der Gedanke, dass es Menschen gibt, deren Existenz für die Gesellschaft, aber auch für sie selbst eine unzumutbare Belastung darstellt.

Die Propaganda für die Euthanasie appellierte an das Mitleid der Bevölkerung mit unheilbar kranken Menschen. Der Film von 1941 „Ich klage an“ zeigt unheilbare und leidende Menschen, die um Erlösung bitten. Tatsächlich wurden vor allem Menschen mit Behinderungen, die leben wollten, selektiert und getötet, weil sie vom Staat als „lebensunwert“ bezeichnet wurden.

Auch nach dem Krieg wurden Menschen mit Behinderungen bei der Opferentschädigung benachteiligt. Die Täter wurden seltener und milder bestraft. Ärzte und Forscher, die Menschen mit Behinderungen wie Versuchstiere behandelten, wurden oft schnell wieder rehabilitiert und durften weiterarbeiten.

Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ist auch bei aktuellen bioethischen Debatten relevant, etwa zur Sterbehilfe. So spielt der Begriff „Lebensqualität“ in der Diskussion um die gewerbsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung häufig eine große Rolle. Bei der kassenfinanzierten vorgeburtlichen Diagnostik steht nicht die Therapie, sondern die Selektion ungeborener Kinder mit Behinderungen im Vordergrund. Die Feststellung einer Behinderung führt fast immer zur Abtreibung.

Menschen mit Behinderungen werden innerhalb und außerhalb von Einrichtungen deutlich häufiger Opfer von Gewalt als die Durchschnittsbevölkerung. Gerade bei Sexualstraftaten werden solche Fälle kaum beachtet, Verfahren schneller eingestellt und Täter milder bestraft. Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen stuft die Situation in Deutschland als besorgniserregend ein und sieht die Trennung von Menschen mit und ohne Behinderungen sowie das Fehlen verbindlicher Gewaltschutzkonzepte als Ursachen für die vermehrte Gewalt, bis hin zum Mord. Hier muss die Regierung endlich tätig werden.

Die Selektion im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ darf nicht in Vergessenheit geraten und sollte auch bei aktuellen politischen Vorhaben eine Mahnung darstellen. Eine humane Gesellschaft zeichnet sich durch Fürsorge, Hilfe zum Leben, Solidarität mit Schwachen und Kranken und eine intakte Immunabwehr gegen jedes eugenisches Gedankengut aus.

An der Gedenkstätte in der Berliner Tiergartenstraße 4 werden für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wilfried Oellers MdB, Beauftragter für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, und Hubert Hüppe MdB am Mittwoch, den 31. Januar 2024 um 9 Uhr einen Kranz für die Opfer der NS-Euthanasie niederlegen.

Foto: Büro Hüppe.

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