Potentiale nutzen – Inklusive Arbeitswelt stärken

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Menschen mit Behinderungen müssen eine echte Chance auf einen Ausbildungsplatz und einen Job im ersten Arbeitsmarkt haben. Deswegen haben wir mehrere konkrete Vorschläge in unserem Antrag gemacht.

Ich gebe zu: Es ist nicht alles drin. Es wird ja auch von der SPD kritisiert, wir hätten nicht alles aufgenommen. Die Grünen haben gesagt, der Antrag sei zwar nicht perfekt, aber gut. Die FDP hat gesagt, das seien eigentlich ihre Forderungen. Trotzdem sagen Sie Nein. Sagen Sie doch einfach Ja, wenn er so gut ist, oder ergänzen Sie ihn! Dann wären wir bei der Inklusion einen Schritt weiter, meine Damen und Herren.

Wir haben jede Menge Vorschläge gemacht, insbesondere bei der beruflichen Bildung, weil es uns wichtig ist, dass gerade junge Menschen mit Behinderungen eine Chance im ersten Arbeitsmarkt haben, sodass sie nicht unbedingt in eine Sondereinrichtung müssen. Wir wissen – und das zeigen die Zahlen –: Sind sie einmal in der Sonderwelt, kommen sie aus dieser Sonderwelt so gut wie nie wieder raus. Deswegen müssen wir da etwas tun, meine Damen und Herren.

Deswegen sage ich Ihnen auch ganz deutlich: Das Budget für Ausbildung muss verbessert werden. Es kann nicht sein, dass wir in den ersten 19 Monaten gerade mal 31 Budgetvereinbarungen hatten. Da kann man auch konkret was machen. Es muss zum Beispiel auch dann möglich sein, dass ein Mensch mit Behinderung ein Budget für Ausbildung bekommt, wenn er keine Vollausbildung und keine Werkstattausbildung machen kann; denn wenn er eine Vollausbildung macht, gehört er ja eigentlich auch gar nicht in die Werkstatt. Was soll ein Mensch, der eine Vollausbildung macht, in der Werkstatt?

Deswegen müssen wir – erstens – auch Menschen, die nicht in der Lage sind, eine Vollausbildung zu machen, die Möglichkeit geben, hinterher einen Job im ersten Arbeitsmarkt zu bekommen.

Zweitens. Die betreffende Person braucht die Zusage für das Budget bereits vor dem Ausbildungsvertrag, nicht hinterher. Denn welcher Unternehmer verlässt sich darauf, wenn er nicht weiß, ob das Budget hinterher tatsächlich genehmigt wird?

Drittens. Mir wäre es am liebsten, dass wir den Eingangs- und Berufsbildungsbereich grundsätzlich budgetfähig machen. Dann kann jeder Mensch mit Behinderung, jeder Jugendliche mit Behinderung selbst entscheiden, auf den ersten Arbeitsmarkt zu gehen, das Geld mitzunehmen und entsprechend einzusetzen oder in die Sonderwelt zu gehen.

Da ich gerade bei der beruflichen Bildung bin: Wenn sich die Sachverständigen – bis auf die Berufsbildungswerke – irgendwo einig waren, dann in dem Punkt, dass die Rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation ein Hindernis für die Betriebe ist und dass sie unsere Forderung, diese Zusatzqualifikation zu straffen sowie kostenlos und freiwillig für die Betriebe zu machen, richtig finden.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt ist, dass wir den Rehaauftrag – den haben nämlich die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen – stärken wollen. Deswegen möchten wir auch erreichen, dass der Übergang von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt einfacher wird. Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir andere Anreize. Es muss sich für eine Werkstatt lohnen, wenn sie es schafft, einen Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Heute ist es noch so, dass es für sie wirtschaftlich eher schlechter ist. Deswegen müssen andere Anreize gesetzt werden.

Ich möchte, weil mir das Sorgen macht, noch eins sagen: Die Zahl der Tagesförderplätze steigt immer weiter. Das sind Plätze für Menschen mit schweren Behinderungen, die nicht die Erlaubnis bekommen, in einer Werkstatt zu arbeiten, und noch einmal ausgesondert werden. Ich bin an dieser Stelle der Landesregierung Nordrhein-Westfalen sehr dankbar; denn Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land, wo diese Menschen das Recht haben, in einer Werkstatt zu arbeiten. Ich bin sicher, dass Herr Laumann als Arbeitsminister das so weiterführen wird. Das ist einfach so, meine Damen und Herren.

Jetzt noch ein Letztes zur Ausgleichsabgabe. Wir wollen, dass das Geld, das am ersten Arbeitsmarkt eingenommen wird, weil Unternehmen nicht genug Menschen mit Behinderungen beschäftigen, auch wieder nur für Menschen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt ausgegeben wird. Ich muss Ihnen sagen, Herr Mehmet Ali: Es ist Ihr Minister, Hubertus Heil, der auf den Ausgleichsfonds zugreift und der dafür verantwortlich ist. Das macht nur das BMAS. Es ist schon komisch, wenn Sie sagen: „Wir brauchen mehr Geld für den inklusiven Arbeitsmarkt“, aber derselbe Minister das Gutachten, das immerhin 700 000 Euro kostet, zur Veränderung des Werkstattlohns nicht aus Steuergeldern, sondern aus der Ausgleichsabgabe bezahlt. Das, meine Damen und Herren ist nicht in Ordnung.

Deswegen: Arbeiten Sie mit. Wir unterstützen Sie, wenn Sie Vorschläge zur Förderung einer inklusiven Arbeitswelt machen. Vielen Dank.

Rede im Deutschen Bundestag am 12.05.2022 zum TOP 15 „Inklusive Arbeitswelt“

Foto: Deutscher Bundestag

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner